Quo vadis Landarzt?

Veröffentlicht am 21.12.2022 in Aktuelles

Eine Podiumsdiskussion zum Ärztemangel im Hochschwarzwald

Am 05 Dezember lud die SPD Hochschwarzwald zur Podiumsdiskussion nach Friedenweiler ein. Der Ärzte-, wie auch Fachärztemangel im Hochschwarzwald ist groß. Praxen schließen, weil keine Nachfolger gefunden werden können. Neue Praxen sind nicht in Sichtweite. Der Diskussion auf dem Podium stellten sich SPD-Landtagsabgeordneter Florian Wahl, Susanne Bublitz (Hausärzteverband BW), Stefan Leutzbach und Ilka Latuske (Kassenärztliche Vereinigung BW). Die Moderation übernahmen auf dem Podium Dieter Köpfler (SPD-Gemeinderat Löffingen) und im Publikum Götz Ertle (SPD-Gemeinderat Titisee-Neustadt).

Im Publikum befanden sich die Bürgermeister Josef Matt (Friedenweiler), Marlon Jost (Bonndorf) und Tobias Link (Löffingen), SPD-Kreisrat Norbert Brugger, viele Gemeinderäte und praktizierende Ärzte aus der Region, Apotheker Dr. Michael Kunkel, Achim Gauger (Geschäftsführer Sozialstation), Dr. Steffen Schneider und Dr. Matthias Kleiner (eröffnen im Januar in Titisee-Neustadt eine Praxis für Orthopädie und Chirurgie) und André Saliger (DIOMEDES Beratung und Projektmanagement für den medizinischen Bereich) , sowie viele Bürgerinnen und Bürger unserer Region – insgesamt gut 60 Interessierte Teilnehmer.

Der Diskussionsbedarf war groß – die Lösungsansätze leider nicht.

Zu Beginn der Diskussion wurden einige Zahlen und Fakten genannt:
In unseren 9 Gemeinden im Hochschwarzwald leben insgesamt 34.648 Menschen. Das sind 34.648 Menschen, die 1 HNO-Arzt, 1 Hautarzt, 1 Urologen, 4 Gynäkologen … in Anspruch nehmen können. Der nächste Kinderarzt in unserm Landkreis befindet sich in Kirchzarten, der allerdings absolutes Aufnahmestopp verhängt hat und nur Notfälle behandelt. Etwa 2.700 Kinder müssen mit ihren Eltern lange Wege z.B. nach Freiburg in Kauf nehmen, da es im Hochschwarzwald seit über einem Jahr keinen Kinderarzt mehr gibt. Kurios hierbei ist, dass keine neue Kinderarztpraxis im Hochschwarzwald eröffnen darf, da der Landkreis hier als überversorgt gilt.

Viele Faktoren wurden genannt, warum die Situation des Ärztemangels im Hochschwarzwald ist, wie sie ist. Der Arzt, der 60-80 Stunden in der Woche für seine 2.000 Patienten da ist und noch Hausbesuche macht, den wird es künftig nicht mehr geben. Der Trend geht zur Festanstellung und einer 40h-Woche, bzw. sogar zu Teilzeittätigkeiten. Allein hierdurch entstehen bereits Versorgungslücken und man benötigt 3 Ärzte, wo vorher nur 1 Arzt war. Florian Wahl merkte hierzu an, dass mehr Studienplätze diese Lücke langfristig schließen könnten. Und auch, wenn wir heute (endlich) die Studienplätze verdreifachen würden, hätten wir frühestens erst in 10 Jahren einen möglichen spürbaren Effekt. Und nicht zuletzt muss die Attraktivität des Arztberufes deutlich familienfreundlicher gestaltet werden, da es zwischenzeitlich deutlich mehr Ärztinnen wie Ärzte gibt – Tendenz weiter steigend.

Die Frage, wie man den Standort attraktiver für sich neu niederlassende Ärzte machen könnte, blieb unbeantwortet. Schon jetzt rollen die Gemeinden einen roten Teppich aus, locken mit neu gebauten Ärztehäusern (wie z.B. in Friedenweiler, welches über 3 Jahre leer stand und nun eine Steuerkanzlei beherbergt), mit Kinderbetreuung, mit sehr guten Konditionen für wohnen oder bauen und vielem mehr – leider erfolglos.

Es gibt Förderprogramme der KVBW, um Ärzte bei der Neugründung zu unterstützen. Die sind jedoch bei weitem nicht ausreichend und steuerfrei sind sie auch nicht. Schnell steht eine Förderung in Höhe von möglichen 85.000,- Euro einer Investition von gut einer halben Million Euro gegenüber. Und sollte ein Arzt tatsächlich von der Stadt aufs Land gehen, bedeutet es noch nicht, dass auch die Mitarbeiter mitziehen und bereit sind, mehr Zeit und Kosten für den Arbeitsweg aufzubringen, zumal die Bezahlung des Personals sowieso vielerorts ein Thema ist.

Wir werden zusammenarbeiten müssen – gemeindeübergreifend und Praxen-verbunden. Es werden Zentren entstehen müssen, die den Bedarf an medizinischer Versorgung mehrere Gemeinden abdecken und auch Telemedizin wird eine größere Rolle spielen, für die wir die Bevölkerung jedoch erst sensibilisieren und schulen müssen. Hierfür ist jedoch eine ordentliche Digitalisierung zwingend erforderlich. Und genau die haben wir verdummbeutelt, so Florian Wahl. Noch heute müssen Ärzte per Fax, bestenfalls telefonisch kommunizieren, um sich über Patienten auszutauschen. Auch werden viele Tätigkeiten nicht mehr zwingend vom Arzt, sondern vom medizinischen Fachpersonal durchgeführt werden müssen. Wir müssen Kompetenzen neu definieren.

Auch infrage gestellt wurde die Bewertung der Verteilung der Ärzte für unseren Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Während im Freiburger Raum die Versorgung der Hausärzte bei 131 Prozent liegt, fallen auf den Hochschwarzwald nur 94 Prozent und im Durchschnitt sind wir dann bei besagter Überversorgung. Wie sehr diese „nur“ 94 Prozent bei uns jetzt schon spürbar sind, zeigen die überfüllten Wartezimmer der Praxen und die langen Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt - 9 Monate sind keine Seltenheit. Für die Kassenärztliche Vereinigung besteht jedoch erst ein Handlungsbedarf bei einer Versorgung von unter 80, bzw. 75 Prozent. Man möchte sich gar nicht ausmalen, was für Zustände das dann tatsächlich für Patienten und Ärzte sein müssen, wenn man bereits jetzt mit 94-prozentiger Versorgung schon an Grenzen stößt.

Und weiter stellt sich uns die Frage, wie niedrig unsere Versorgung im Hochschwarzwald erst sein muss, damit wir im Gesamtdurchschnitt des Landkreises dann in den Bereich von 75-80 Prozent Versorgung kommen und die KVBW dann tatsächlich ins „Handeln“ kommt.

Darauf können, dürfen und wollen wir nicht warten.

 

Im Anschluss an unsere Podiumsdiskussion liefen die Gespräche noch lange weiter. Schnell kristallisierte sich der Wunsch nach kommunalübergreifender Zusammenarbeit heraus. Dies wird die SPD-Hochschwarzwald angehen und die Gemeinden im Hochschwarzwald, die medizinischen und pflegerischen Versorger und auch die verschiedenen Interessenvertretungen an einen Tisch holen. Den Grundstein haben wir an diesem Abend mit unserer Veranstaltung bereits gelegt. Jetzt gilt es, daraus etwas zu machen.

Wir haben Handlungsbedarf.

Tanja Kühnel
Vorsitzende SPD Hochschwarzwald

 

Zuletzt noch ein herzliches Dankeschön an meinen OV für die wunderschönen Blumen ... ihr seid die Besten <3

 
 

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